Energieintensiv heißt energiebewusst
Von Rainer Goes, Regensburg
Erschienen in GIESSEREI 12/2012
Sechs elektrisch betriebene Gießereiöfen laufen bei der Bergmann Automotive GmbH in Barsinghausen – und benötigen vergleichsweise so viel Strom wie eine kleine Stadt. Ein systematisches Energiemanagement spielt vor diesem Hintergrund eine zentrale Rolle. Zusammen mit Siemens hat der innovative Mittelständler jetzt ein umfassendes Energiemonitoringsystem realisiert. Als Marktführer für Zylinderlaufbuchsen ist die Bergmann Automotive GmbH mit Sitz im niedersächsischen Barsinghausen seit über 40 Jahren eine feste Größe in der Automobil- Zulieferindustrie. Zylinderlaufbuchsen werden in Hubkolbenmotoren als Lauffläche für den Kolben eingesetzt. Das Herzstück des weltweit aktiven Unternehmens bildet eine leistungsfähige Gießerei für Schleuderguss. Sechs elektrisch betriebene Schmelzöfen arbeiten dort mit einer Jahreskapazität von bis zu 42 000 t Schmelze.
Energie als Kostenfaktor
Diese Schleuderguss-Kernkompetenz lässt sich Bergmann Automotive einiges kosten: „Rund zehn Prozent unserer Betriebskosten entfallen auf Energiekosten“, bringt Geschäftsführer Bernhard Büthe die besondere Herausforderung seiner energieintensiven Branche auf den Punkt. Rund 36 Mio. kWh Strom verbraucht Bergmann Automotive pro Jahr – etwa so viel wie 5800 Haushalte in Deutschland (Bild 1). Energieeffizienz wird damit zum zentralen Faktor für den Unternehmenserfolg.
Die Novellierung des „Erneuerbare Energien Gesetzes“ (EEG) gab dann letztlich den Ausschlag für Bernhard Büthe und seine Mitarbeiter, die bisherigen Maßnahmen durch ein durchgängiges und umfassendes Energiemonitoringsystem zu ersetzen. Denn das neue EEG entlastet zwar das produzierende Gewerbe durch eine Erstattung der Umlagen für erneuerbare Energien, knüpft diese Erstattung aber gleichzeitig an bestimmte Bedingungen. So müssen nach § 41 Unternehmen mit einem Verbrauch von über 10 GWh pro Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung über ein nach DIN EN ISO 50001 zertifiziertes Energiemanagementsystem verfügen (Bild 2). Voraussetzung dafür ist eine systematische Erfassung des Energieverbrauchs und die fachkundige Analyse möglicher Einsparpotentiale. Das zentrale Werkzeug, um die in beiden Normen formulierten Ziele zu erreichen, sind Energiemonitoringsysteme. Sie ermöglichen es, softwaregestützt die Energieströme eines Unternehmens in allen Produktionsund Nebenanlagen detailliert zu erfassen, den Energieverbrauch zu analysieren und auszuwerten. Aus diesem Datenmaterial lassen sich dann im gesamten Unternehmen Einsparpotentiale bestimmen. Die Koalition spricht sich für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus. Dazu sollen bis März 2013 „Ergebnisse“ vorliegen.
Alle Verbraucher im Blick
Für Geschäftsführer Büthe stand von Anfang an fest, dass ein solches Energiemonitoringsystem nicht nur die Hauptverbraucher in der Produktion, sondern alle Verbrauchsstellen im gesamten Betrieb umfassen sollte. Bis zu 200 Zähler sollten zu diesem Zweck ausgetauscht werden. Nach einem umfangreichen Benchmarking der Anbieter für Energiedatenerfassungssysteme, entschieden sich die elektrotechnischen wie auch die kaufmännischen Experten für das Energiemonitoringsystem von Siemens, bestehend aus Messgeräten der 7KM PAC-Reihe (Bild 3) und aus der Software Powermanager. Am Standort Barsinghausen sind mittlerweile rund 100 vernetzte Zähler installiert. Weitere werden folgen, um mittelfristig wirklich alle Nebenverbraucher zu integrieren.
"Das war nicht die billigste Lösung, aber aus verschiedenen Gründen ist es die beste Lösung für uns“, begründet der Geschäftsführer diese Entscheidung: „Von den digitalen Zählern waren wir sehr angetan. Sie sind sehr robust und einfach zu verbauen. Sie verfügen über Kommunikationsschnittstellen für Modbus TCP, Modbus RTU, Profinet sowie Profibus DP und ermöglichen dadurch die direkte Einbindung in unser lokales Netzwerk. Kurzum: Sie bieten das beste Preis-Leistungs-Niveau am Markt.“
Die Software Powermanager überwacht und archiviert die von den Zählern erfassten elektrischen Kenngrößen wie Spannungen, Ströme, Leistungen, Energiewerte und Frequenzen. Einzige Voraussetzung: ein Windows-PC und ein LAN-Netzwerk für Modbus TCP. Auf dem PC werden die Leistungsmittelwerte der überwachten Kenngrößen in Ganglinienform angezeigt und können miteinander verglichen werden. So lassen sich beispielsweise Lastgänge verschiedener Fertigungslinien oder Firmenstandorte gegenüberstellen. Ebenso angezeigt werden Störungen in der Energieverteilung, auf die sofort reagiert werden kann. Die Darstellung der Berichte ist in Form vorinstallierter Vorlagen möglich, zum Beispiel mit Kostenstellenzuordnung, im Messwertevergleich oder als Dauerlinie. Sie kann aber auch frei nach den individuellen Anforderungen gestaltet werden. Voreinstellungen sorgen dafür, dass die Messgeräte schnell einsatzbereit sind.
Zusätzlich hat den Branchen-Profi überzeugt, dass Siemens dieses ursprünglich für die Gebäudetechnik entwickelte System industriespezifisch zugeschnitten hat: „Gebäudetechnik ist etwas anderes als Industrie, die Zähler müssen beispielsweise Veränderungen an der Maschine mitmachen“, so Büthe. „Aber Siemens ist auf den Zug aufgesprungen. Das Zusammenspiel zwischen Siemens und unseren Fachleuten hat hervorragend geklappt.“
Wertvolle Information
Das originäre Ziel einer Anerkennung nach DIN EN 16001, dem Vorgänger der aktuellen DIN EN ISO 50001, wurde mit der Zertifizierung im November 2011 erreicht. Und auch die nachfolgende DIN EN ISO 50001:2011, die die Bedingungen in Hinblick auf den Nachweis der Energieeffizienz nochmals verschärft hat, erfüllt die Siemens-Lösung. Für Bernhard Büthe hat die Fähigkeit des Energiemonitoringsystems, Energieflüsse transparent zu machen, aber noch ganz andere Vorteile gezeigt: „Wir haben jetzt Kennzahlen in Echtzeit. Und wir haben noch mehr: nämlich sehr, sehr viele unterschiedliche Erkenntnisse und Informationen aus dem System, die man nur für den Nachweis der Energieeffizienz gar nicht bräuchte, die uns aber wertvolle Hinweise geben. So können wir aus Fehlerverläufen viel herauslesen, beispielsweise wie die einzelnen Maschinen reagieren. Ein Mehrverbrauch kann dann auf eine Störung hinweisen, ehe diese in der Produktion offensichtlich wird. Und mit dem umfangreichen Datenmaterial lassen sich die einzelnen Parameter analysieren und entsprechende Optimierungen durchführen.“
Fazit
Energieintensiv heißt bei Bergmann Automotive energiebewusst: Mit der Einführung eines Energiemonitoringsystems von Siemens erfüllt das Unternehmen zum einen sämtliche Anforderungen hinsichtlich der Überwachung, Messung und Analyse von Energieflüssen nach DIN EN 16001, DIN EN ISO 50001:2011 und EEG. Zum anderen verfügen die Verantwortlichen über transparentes Datenmaterial zur Optimierung der Energieflüsse und der Produktionsprozesse.
Rainer Goes, Siemens AG, Geschäftsgebiet Low Voltage & Products (Division Low and Medium Voltage im Sektor Infrastructure & Cities), Regensburg