Zusammenkunft zum Zukunftstag

Premieren-Veranstaltung des BDG

Premieren sind grundsätzlich besonders. Der Zukunftstag des BDG markiert indes eine Zeitenwende – in mehrfacher Hinsicht. In der Spitze knapp 400 Teilnehmer verfolgten eine sechsstündige Premieren-Veranstaltung, die wesentliche Themenkreise der Branche thematisierte: Mittelstand, Mobilität, Klimaschutz. Botschaft an die Branche wie auch an die Politik: Guss ist unverzichtbarer Bestandteil vieler Produkte. Die Veranstaltung, soviel zur Rezeption vorab, überraschte – und zwar positiv. Alles zum Zukunftstag des BDG lesen Sie in mehreren Artikeln auf den kommenden Seiten.

Wenn am Ende des wichtigsten Programmpunktes am Zukunftstag, des Panels zum Klimaschutz mit fünf Gästen, noch minutenlang Gießer und Grüne zusammenstehen und engagiert diskutieren ist das der versinnbildlichte Erfolg der Veranstaltung: Dr. Ludger Ohm, investitionsfreudiger Gießer, und Mona Neubaur, Vorsitzende des mächtigen NRW-Landesverbandes von Bündnis 90/Die Grünen waren ins Gespräch vertieft. Branche und Politik im Dialog – das war genau das, was wir als ein Ziel des Zukunftstages anvisiert hatten. „Insgesamt war der Tag ein voller Erfolg. Wir haben viele interessante Gespräche geführt und neue Impulse erhalten, die es jetzt weiterzuverfolgen gilt“, resümierte BDG-Hauptgeschäftsführer Max Schumacher später und hatte dabei gewiss auch das Nachmittagspanel mit seinen Teilnehmern vor Augen.

 

Das Zukunftsprogramm des BDG

Doch bevor wir Ablauf und Inhalte vertiefen, lohnt noch mal der Blick zurück: Was war das eigentlich, der Zukunftstag? Und wie waren Idee und Konzept entstanden? Bereits im digitalen Tätigkeitsbericht, veröffentlicht zum 27. Mai, haben wir ebenso wie in diesem BDG report über das Zukunftsprogramm des BDG ausführlich berichtet. Im Kern an dieser Stelle deswegen noch mal einige Grundgedanken: In einem eigenen Zukunftsworkshop hatten sich Präsidium und Referenten bereits 2020 grundlegende Gedanken über die Gießerei-Branche gemacht und dabei nicht nur die Bedingungen reflektiert, unter denen die Betriebe in Deutschland unternehmerisch tätig sind, sondern auch in die Zukunft geblickt. Erkenntnis: Unter den Prämissen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden deutschlandweit Lebensstile und auch Industrieproduktion hinterfragt. Eine zukunftsfähige, aktiv diese gesellschaftlichen und politischen Impulse aufnehmende Ausrichtung von Unternehmen und Wirtschaft ist deswegen erforderlich – und sie muss ganzheitlich sein. Nachhaltige Entwicklung fußt auf allen drei Säulen – auf Ökonomie, Ökologie und Sozialem.

Wir wollen auf allen Feldern als Branche aktiver, sichtbarer, selbstbewusster agieren, die Themen für die Branche angehen, moderieren, kommunizieren – idealerweise auch in einer eigenen Veranstaltung. Damit waren dann Überlegungen verworfen, den für Ende Mai geplanten Deutschen Gießereitag in Aachen zu nutzen, dessen Rahmen als technisch-wissenschaftliche, nach innen gekehrte Branchenveranstaltung wenig passend erschien, um über das größere Ganze zu reflektieren. 

Nur ein Zukunftstag als eigene und komplett neu gedachte Veranstaltung versprach die erforderliche konzeptionelle Bewegungsfreiheit, um die Erkenntnisse des Zukunftsprogrammes auch konsequent umzusetzen: Es würde darum gehen, die Themen wie Mittelstand, Mobilität und Klimaschutz vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitssäulen Ökonomie, Ökologie und Sozialem modern darzustellen und einen Diskurs zu beginnen.

 

Zukunftstag folgte klarem Konzept

Dieser klaren konzeptionellen Konzentration entsprachen dann auch Programm und Ablauf der Veranstaltung. Für Branche und Verband bedeutete der Tag im Düsseldorfer Haus der Gießerei-Industrie am 29. Juni eine Zeitenwende in doppelter Hinsicht. Die Themenkreise haben sich in den vergangenen Monaten nochmals verdichtet. Der lange Primat der Corona-Krise sowie die Bundestagswahl bringen Klima- und Nachhaltigkeitsthemen mit besonderer Macht auf die Agenda. Unabhängig von der momentanen Verdichtung hat die Branche, moderiert durch den Verband, ihr Profil geschärft. Ein Durchfliegen unter dem Radar ist keine Option, „die Branche muss sichtbarer werden“, so BDG-Hauptgeschäftsführer Max Schumacher zu Beginn des digitalen Events. 

 

Clemens Küpper setzt klare Botschaften

Entsprechend nutzte BDG-Präsident Clemens Küpper, frisch gewählt am 27. Mai, seine Rede zu einem genauen programmatischen Entwurf. „Wir als Pioniere der Circular Economy ermöglichen die Energiewende. Wir schaffen mit Technik und Innovation die Voraussetzung für die Transformation zu einer CO2-neutralen Welt. Wir garantieren attraktive Arbeitsplätze in der Industrie, in unseren Betrieben“, zitierte Küpper die zentrale Selbstsicht der Branche, wie sie im Prozess der Strategiefindung definiert und jetzt kommuniziert wird. Die 70 000 Menschen und Mitarbeiter, die unsere Gießerei-Branche bilden, erwähnte Küpper mehrfach. Der neu gewählte BDG-Präsident führte in seiner Rede auch die drei Säulen der Nachhaltigkeit an. Küpper: „Nachhaltigkeit kann nur Sinn machen, wenn alle drei Säulen bedient werden. Nur eine starke Wirtschaft und eine starke Industrie können die Kraft aufbringen, die ökologischen, sozialen und natürlich die ökonomischen Ziele zu erreichen.“ Diese grundsätzlichen Überzeugungen treffen aktuell auf konkrete Themen – etwa den Wechsel von fossilen zu elektrischen Schmelzprozessen, die Entlastung des Strompreises von der EEG-Umlage, eine wirksame Carbon-Leakage-Regelung, die Verfügbarkeit von Schrott, die Regelung von Carbon Contracts for Difference, allgemein auch bürokratische Lasten und lange Genehmigungsverfahren. Schließlich auch: die Verfügbarkeit von genügend grünem Strom. Damit setzte der Präsident den Rahmen für die folgenden Diskussionen des Zukunftstages. 

Erste Antwort der Politik auf die Fragen war der Vortrag von Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der den bevorstehenden Strukturwandel mit den Säulen Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie beschrieb und für enge Zusammen arbeit warb: „Machen Sie uns Politiker schlau mit ihrer Sachkenntnis.“ In der Diskussion zwischen Fricke, Küpper und Moderatorin Judith Schulte-Loh im Anschluss folgte ein Beispiel: Wegen der EEG-Umlage fallen Millionenkosten an. Kosten, die ausländische Gießereien nicht haben – ein offensichtliches Ungleichgewicht, wie Küpper betonte. „Bei einer grünen Wirtschaft muss der Industriestrompreis sinken“, stimmte ihm Fricke zu. 

Beim Thema Mobilität hatte der BDG mit Prof. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität“ am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), bewusst auf einen Redner mit disruptiven Ideen gesetzt. „Die Alternative zum Auto kann nur das bessere Auto sein“, betonte er und meint damit seinen Fokus auf autonom fahrende Shuttles mit der Abkehr vom bisherigen Individualverkehr. Eine These mit kontroversem Potenzial. Viele Zuschauer, symbolisiert durch Avatare auf dem Anzeigenboard, kommentierten mittels gesenktem Daumen. Diese Feedback-Möglichkeit folgte der Erkenntnis aus der Corona-Krise, nach der Ver-anstaltungen mit ausschließlich langen Vorträgen digital noch sehr viel stärker als in Präsenz ermüdend wirken und Zuschauer abspringen lassen. Der Zukunftstag musste also anders und besser funktionieren. Tatsächlich blieb die Zahl der Zuschauer lange weitgehend konstant. Neben den richtigen, weil aus Branchensicht relevanten inhaltlichen Punkten trug die durchaus aufwendige Choreografie zum Spannungsbogen bei: Mit Moderatorin Judith Schulte-Loh führte ein starker Profi durch den Tag, professionelle Einspieler und der weiterentwickelte Branchenfilm „Wir“ brachten mit dem Filmformat und starken Bildern Abwechslung und frische Akzente in den Programmablauf. 

Höhepunkt Paneldiskussion mit Gießern

Den inhaltlichen Kern und Höhepunkt des Zukunftstags bildete das Nachmittags-Panel, eingeleitet von Mona Neubaur, der NRW-Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen. Sie würdigte in ihrem Impuls Guss als Stützpfeiler der Windenergie sowie die Bemühungen der Branche bei der Emissionsreduzierung und sicherte günstigeren Strom im Gegenzug für den klimafreundlichen Gießereiumbau zu. Die Diskussionsrunde mit Neubaur, Lukas Maggioni, Fridays for Future, Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer BDI, sowie den Gießern Dr. Christiane Heunisch-Grotz und Dr. Ludger Ohm folgte ihrer Rede. Dr. Heunisch-Grotz rechnete den hohen Investitionsbedarf für den Austausch ihres Kupolofens vor und kritisierte lange Genehmigungsverfahren und den zögerlichen Ausbau der erneuerbaren Strominfrastruktur. Dr. Ohm stellte den massiv gestiegenen Energiekosten die niedrige Gewinnmarge in der Branche entgegen. „Unsere 2008 gebaute Gießerei haben wir schon zwei Mal bezahlt“, betonte er. Einig waren sich die Gießer mit Neubaur und Maggioni, dass es beim Weg in die Klimaneutralität nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie“ geht. „Eine neue Regierung muss die Trasse anpacken“, so Dr. Ohm mit Blick auf Bundestagswahl und verfügbaren grünen Strom. 

Prof. Wolfram Volk, TU München, präsentierte abschließend das Projekt Windmelt. Schmelzen an Windrädern sollen mit Energieüberschüssen schmelzen und Flüssigmetall an Gießereien verteilen. Ein positiver und gleichzeitig sehr geerdeter, unaufgeregter Abschluss eines Zukunftstages, der einen neuen Level im Auftritt von Branche und Verband markiert. 

 

Kommunikativ und selbstbewusst

Was also wird bleiben von sechs Stunden Zukunftstag? Er könnte als Zäsur in die Geschichte von Branche und Verband eingehen. Er markiert das Ende des „unter dem Radar durchfliegens” und den Beginn eines emanzipierten und selbstbewussten Auftritts. Wir als Branche sind auf Augenhöhe, wir sind nicht scheu, wir verstecken uns nicht, wir sind modern, aufgeschlossen, sprechen die Themen aktiv an und wir sprechen dabei mit allen Gruppen – das war eine wichtige Botschaft des Tages. Eine Botschaft, die ankommt. So schrieb Mona Neubaur in ihrem Facebook-Profil zum Zukunftstag: „Die Einladung des Deutschen Gießerei-Verbands atmet den Geist der Dialogbereitschaft und des Veränderungswillens … Die gesamte Branche wartet auf klare Rahmenbedingungen, damit ihr Weg zum Erfolg führt. Wir machen der Industrie ein Angebot: Mit einem Industriepakt, der für bezahlbaren erneuerbaren Strom sorgt.” Die Branche in der Politik bekannter machen, auch präsent, miteinander ins Gespräch kommen, sich austauschen, sich verstehen, vernetzen – darin hat der Zukunftstag die Branche vorangebracht. Diesen Faden gilt es aufzugreifen!