Sorgen um den Standort Deutschland
Wirtschaft appelliert an Bundesregierung
Deutschland steckt in der Rezession, die konjunkturellen Aussichten für 2024 und 2025 sind trübe – was Experten maßgeblich der Arbeit der Bundesregierung zuschreiben. Verbände ziehen jetzt die Reißleine: In mehreren Brandbriefen fordern sie unter anderem eine „sachorientierte und abgestimmte“ Politik für den Industrie-Standort.
Während vergleichbare europäische Länder sowie unter anderem die USA in 2023 gewachsen sind und die Prognosen auch für 2024 überwiegend positiv sind, droht sich die Rezession in Deutschland zu verfestigen. „Im Trend sinkt seit sechs Jahren der ifo-Geschäftsklimaindex“, sagte IKB-Chefvolkswirt Klaus-Dieter Bauknecht Ende Januar auf dem ArGeZ-Forum der Zulieferindustrie, an der auch der BDG beteiligt ist.
Wesentlich zur konjunkturellen Schwäche, die auch den energieintensiven industriellen Mittelstand unserer Gießereiindustrie trifft, trägt die Arbeit der Bundesregierung bei, die ihren Tiefpunkt mit den wirtschaftspolitischen Ereignissen Herbst erreichte: Vom BDG als „erratisch“ eingeschätzte Entscheidungen wie der abrupte Stopp der E-Auto-Förderung kurz vor Weihnachten belasten die Konjunktur zusätzlich. Eine Entlastung auf der Strompreisseite ist nicht in der Sicht – im Gegenteil steigen mit Jahresbeginn die Netzentgelte. Der BDG hatte im Herbst die Erkenntnis gewonnen, in 2024 als Verband sehr viel grundsätzlicher agieren zu müssen.
Mit der Sorge um die industrielle Basis und den Standort Deutschland befindet sich der BDG in großem Einklang mit weiteren Verbänden. Während häufig Interessensgegensätze die Arbeit der Verbände prägen, adressieren mit Datum 30. Januar BDI, BDA, DIHKL und ZDH einen gemeinsamen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Bereits am 24. Januar hatten sechs ostdeutsche IHKs – der sogenannte Heringsdorfer Kreis – nicht zuletzt in Sorge um die rechtsextremen Strömungen an ihrem Standort Olaf Scholz ihren offenen Brief zukommen lassen.
Dramatisch: Die Vielzahl dieser Stakeholder – der BDI vertritt weite Teile der Deutschen Industrie inklusive des BDG – verschaffen der Initiative politisches Gewicht. Zumal die Tonalität sorgenvoll und ausgesprochen grundsätzlich ist. So analysieren beide Brandbriefe kritisch den Status Quo. „Zu Beginn des Wahljahres 2024 sind wir in großer Beunruhigung mit Blick auf die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur. Daran hat auch die Bundesregierung einen erheblichen Anteil,“ formulieren die IHKs. Sie diagnostizieren „einen sich zuspitzenden Dauerkrisenmodus“ und kommen zu dem Schluss: Das desolate Bild der Bundesregierung in der Öffentlichkeit und die aufgeheizte Stimmung im ganzen Land sind hausgemacht.“ Das BDI-Schreiben analysiert: „Der Frust und die Verunsicherung bei vielen Betrieben wachsen – und die Verlagerung von industrieller Produktion ins Ausland nimmt zu. Die vor uns liegenden zwei Jahre bis zur Bundestagswahl dürfen kein Verwalten des Status Quo sein.“
Der BDI lässt der Bundesregierung zusammen mit seinem Brandrief ein Papier mit Punkten zukommen, die als vordringlich beschrieben werden: Von Entbürokratisierung über schnellere Verfahren und Investitionen in die Infrastruktur bis zum Fachkräftemangel. Erster und wichtigster Punkt: Konkurrenzfähige Strompreise.
Auch das IHK-Papier thematisiert die „Kostenentwicklungen im Energie- und Baubereich“, die „keine Planungssicherheit“ gäben und appelliert an den konstruktiven, intensiven Dialog zwischen Wirtschaft und Politik: „Wir erwarten, dass Entscheidungen endlich wieder vernünftig vorbereitet, abgewogen und bei Verkündigung auch sachgerecht erklärt und begründet werden. „Herr Bundeskanzler, das beste Mittel gegen Rechtspopulismus ist eine sachorientierte und abgestimmte politische Arbeit. Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung.“